Montag, 28. März 2011

Können die Grünen uns vor Erdbeben schützen?

Nein.

Montag, 7. September 2009

Kugelschreiber

Ich bin mit Karl unten im Kinderzimmer, meine Frau ist mit Martha oben. Alles ist ruhig, als ein markerschütternder Schrei die friedliche Stille jäh durchschneidet: „Maaarthaaa!“ – In der Befürchtung unsere Erstgeborene sei aus dem Fenster gefallen, fliege ich die Treppe hinauf – meine Frau steht wie gelähmt mit vor Schreck grausam entglittenen Gesichtszügen in unserem Schlafzimmer. Martha sitzt im Ehebett. Zumindest glaube ich, dass es das Ehebett war, aber ich hatte es optisch irgendwie ganz anders in Erinnerung. In der Hand hält Martha wie eine Trophäe einen schwarzen Kugelschreiber. Sie ist stolz wie Oskar: „Guck mal, das habe ich alles angemalt! Guck mal hier und hier und hier und hier…“ – Die Aufzählung dauerte recht lange, denn Sie hatte mit bemerkenswerter Präzision die Betthälfte meine Frau mit einem filigranen Muster aus schwarzen Kugelschreiberstrichen verziert. Kopfkissen, Bettdecke, Bettlaken. Besondere mühe hatte sie sich mit dem geölten Eichenholz des Bettgestells und des Nachttischs gegeben, denn obwohl Eiche ja bekanntlich als hartes Holz gilt hat sie - lediglich mit einem Kugelschreiber bewaffnet - beeindruckende Reliefs in die Holzoberfläche geritzt. Immerhin den Nachttisch konnten wir einfach umdrehen, da uns klassische Nachttische zu spießig waren, verwenden wir einen zweiseitig offenen Kubus mit einer passenden Pappschachtel darin. Vielleicht hätten wir das Prinzip „Pappschachtel“ auf die Mehrzahl der Einrichtungsgegenstände in Reichweite der Kinder anwenden sollen…

Freitag, 4. September 2009

Telefonmann

18 Uhr. Der Tag im Büro war nicht unanstrengend. Ich komme nach einer sardinenmäßigen S-Bahn Fahrt nach Hause, meine Frau eilt mir mit fliegenden Fahnen entgegen, drückt mir die Kinder in die Hand, ruft: „Das Telefon geht nicht!“ und ist weg. Kinder sind quakig. Baue im Kinderzimmer in Windeseile ein Arche-Noah-Raumschiff mit allen Duplo Bausteinen und Tieren, die wir haben. Zur Raumschiff-Enterprise Melodie lasse ich es ein paar mal durchs Kinderzimmer fliegen – die beiden können ihr Interesse nicht ganz verbergen. Ich überlasse mein Kunstwerk ihren destruktiven kleinen Händen und nutze die Chance die kostenpflichtige (!) Hotline anzurufen. „…sagen Sie bitte 3 wenn Sie ein Problem haben!“ – „DREI!“ – „Ich habe Sie leider nicht verstanden, der nächste freie Mitarbeiter ist für Sie da.“ – Warteschleife. Werbung für den tollen Service der Telefongesellschaft. Ich mach’ auf Freisprech und nutze die Wartezeit, um das Abendessen vorzubereiten.

Die ca. 1 X 1 cm großen Leberwurstbrotstückchen hängen wie immer aneinander und am Messer und nach der Mahlzeit wird Karl sie noch an Stellen kleben, die ich im schlechtesten Fall erst Tage später entdecke. Erfrischend leicht zu finden ist der nicht unerhebliche Teil der Leberwurst, der wiedermal in seinen Haaren kleben wird. Er liebt es, sich den vollen Teller durchs Gesicht und über die Haare zu schmieren. Mit Leberwurst lassen sich eindrucksvolle Frisuren gestalten. Die Leberwurstorgie lässt sich nur verhindern, wenn man exakt den Sättigungszeitpunkt abpasst, um einzugreifen bevor die Nahrungsaufnahme ins experimentelle Spiel mit Lebensmitteln übergeht. Das gelingt nicht immer, aber immer öfter.

Das Callcenter hat Erbarmen, ein Mitarbeiter meldet sich: „Ja, wenn Sie ein Problem haben, dann rufen Sie doch unsere kostenlose Hotline für technische Probleme an unter…“ Die Nummer wird angesagt, die Kinder brüllen, Karl ist mit dem Rücken auf das Raumschiff gefallen – er neigt dazu, sich zu überschätzen. Stellt sich einfach hin, obwohl er es noch nicht kann, fällt um und ist stocksauer. Aus Solidarität brüllt Martha mit. Es ist nichts ernstes, es sind ein paar Kühe vom Raumschiff gefallen, aber die Lautstärke ist enorm und ich verstehe die angesagte Nummer nicht. Wieder Hotline, wieder Warteschleife. Wir füttern die Tiere auf dem Raumschiff.

18:45 Uhr. Ich erreiche endlich den richtigen Mitarbeiter bei der richtigen Hotline. Muss mit dem Telefon am Ohr nach oben – Telefonanlage neu programmieren. Netbook dran anschließen. Als Martha mich mit dem Netbook sieht, ist sie nicht mehr zu halten: „Papa! Youtube! Maulwurf gucken!“ – Sie darf manchmal den kleinen Maulwurf aus der Sendung mit der Maus auf youtube sehen. Wenn Sie ganz besonders lieb war, als Belohnung, aber nur eine Folge! „Papa! WWW – youtube – Enter!“ – Ich habe Ihr das mal erklärt. Sie mag am liebsten den Maulwurf im Zoo – ich finde den Maulwurf in der Wüste super – wegen dem Hubschrauber. Als ich aber Anstalten mache, ohne Sie nach oben zu gehen, brüllt sie um ihr Leben. Dem Mann vom Callcenter fallen die Ohren ab. Karl brüllt aus Solidarität mit, obwohl der eigentlich friedlich die Schafe vom Raumschiff rupft und liebevoll einzeln besabbert. Ich nehme die sichtlich erfreue Martha unterm Arm mit. Karl widmet sich wieder den Schafen. Martha darf in Mamas und Papas Schlafzimmer spielen und verspricht ruhig zu sein, wenn Sie nachher Maulwurf gucken darf. Der Mann vom Callcenter programmiert mit mir die Anlage.

19:15 Uhr Endlich geht alles wieder. Martha war wunderbar ruhig. Ein blick ins Schlafzimmer und ich weiß auch warum: Sie hat sich über und über mit Vanille-Wohlfühl-Körperöl eingeschmiert und die zwei drei Quadratmeter um sich herum gleich mit. Sie sieht aus wie der frisch aus dem Wasser gezogene Hanns Guck-in-die-Luft aus dem Struwwelpeter. Nur dass es leider Öl ist, kein Wasser. Ich wusste gar nicht das wir so was haben – wo hat sie das her? Ich schlucke dreimal, atme tief durch, es brodelt in mir, Wut steigt auf, meine Stimme zittert leicht: „Martha, das war jetzt nicht so gut.“ – „Ich mach das nie wieder lieber Papa!“ – Ihre entwaffnende Standardantwort. Sie macht es dann auch nie wieder – sie mach ja jedes Mal was anderes. Ich setze meine kleine Ölsardine so wie sie ist an den Abendbrottisch. Sie stochert wie immer lustlos im Essen, während Karl sich über sein Leberwurstbrot her macht, als gäbe es kein Morgen.

Meine Frau kommt wider. Ich: „Das Telefon geht wieder!“ – Sie: „Och, die Leberwurst ist ja ganz angetrocknet.“ Dann sieht Sie Martha in Öl…

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Freitag, 28. August 2009

Die Wahrheit

In einer Zeit in der jeder Mann, der Kinder schon einmal von Nahem gesehen hat, meint, er müsse ein Buch darüber schreiben, wie toll das Leben mit Kindern ist und wie sehr er in seiner Vaterrolle aufgeht, in einer solchen Zeit ist es Zeit für die Wahrheit.

Ich liebe meine beiden Quälgeister Martha (seit Februar 2007) und Karl (seit Juni 2008) – ohne sie ginge nicht mehr – eine Art Gewohnheitseffekt. Aber – und das ist ein richtig dickes aber – seitdem die beiden da sind, ist nichts mehr so wie es war und da ich mein Leben auch vor den Kindern schon gerne gelebt habe, ist das nicht positiv gemeint.

Rien ne va plus – nichts geht mehr. So könnte man es zusammenfassen. Banalitäten wie einfach mal ausschlafen, Zeitung lesen oder auch einfach mal alleine sein wollen sind plötzlich emotionsgeladene Wünsche die wie Seifenblasen zerplatzen, wenn kleine Kinderhände danach greifen. Mal ganz abgesehen von Utopien wie Urlaub und Sex, die längst schon am Horizont verschwunden sind.

Die lieben Kleinen sind einfach immer da. Omnipräsent. Vorbei die Zeit in der ich bestimmt habe, was ich mache. Vorbei die Zeit der entspannten Spontaneität. Vorbei die Zeit, in der man auch mal in den Tag hineinleben konnte, in der es egal war, wann man aus dem Büro kam. Adjeu Unbeschwertheit.

Worüber habe ich mir eigentlich einen Kopf gemacht, als ich noch keine Kinder hatte? Ich hatte ja gar keine ernsthaften Probleme – meine Güte, das war doch alles nur ein Spiel! Jetzt ist ernst! Jetzt ist sie da, die Verantwortung! Verantwortung, ein Wort, dass man in diesem Zusammenhang gar nicht groß genug schreiben kann. Sie legt sich wie eine dicke Decke aus Blei über das zarte Pflänzchen der Individualität. Ich will gar nicht in Frage stellen, dass auch eine Decke aus Blei zumindest Schutz vor Regen bietet, aber alles in allem bleibt doch ein drückendes Gefühl von Beklemmung und Unfreiheit.

Familie ist ein verdammt hartes Projekt, wenn man es ernst nimmt und das sollte man – der Kinder zu Liebe – natürlich tun. Es ist im Grunde wohl das härteste Langzeitprojekt, dem man sich stellen kann. Alles andere ist Pipifax. Nicht umsonst scheitern so viele daran. Wenn das Wort „Lebensaufgabe“ irgendwie sinnvoll mit Inhalt gefüllt werden kann, dann mit: Familie. Ich meine jetzt nicht diese Gucci-Familien mit einem Kind, Frau zu Hause, Vater mit mindestens 5-fachem Durchschnittseinkommen, die sich vor lauter Langeweile auch noch einen Hund anschaffen. Nein, ich meine die Familien, die hart dafür arbeiten müssen, ihren Kindern eine Zukunft zu bieten, die den Namen verdient hat und die Familien, die das auch wollen und nicht die ganze Verantwortung – da ist sie wieder – auf Vater Staat schieben wollen.

Also, wer wissen will, wie es in einer solchen Familie wirklich zu geht, wer keine Angst vor menschlichen Abgründen hat, wer seine Illusionen über ein idyllisches Familienleben mit Kindern schon immer mal gepflegt über Bord werfen wollte, der lese von nun an diesen Blog.

Donnerstag, 8. Januar 2009

Perfider Anschlag in Teeküche.

Orange ist alle. Nehme ich den letzten Orange für die ganze Kanne? Ich nehme immer zwei pro Kanne. In einem Anflug von schier grenzenloser Flexibilität ergänze ich Orange mit Waldbeere. Davon habe ich noch jede Menge. Der leere Orange Karton erhält im Altpapier eine reelle Chance auf ein neues Leben. Ich nicht. Meine Flexibilität rächt sich in der Teeküche. Der Bindfaden an Waldbeere ist knapp unter dem Papierschildchen zum anfassen gerissen. Das kann kein Zufall sein. Obduktion des tranchierten Baumwollbindfadens: Schnittstelle! Keine natürliche Ursache. Jemand hat es auf mich abgesehen. Unruhig bestatte ich das Schildchen mit dem Fadenrest im Restmüll. Das ist nicht ganz korrekt, aber ich bin emotional zu aufgewühlt, um in dieser Situation an Mülltrennung zu denken.
Das Teewasser ist fertig. Ich schaffe es, Waldbeere auch ohne Schildchen am bloßen Faden festzuhalten während sich das wild kochende Wasser nur knapp neben meiner Hand in die zerbrechlich gläserne Kanne ergießt. Nach dem Mittelwert der Zubereitungszeiten von Orange und Waldbeere hat sich die Lage deutlich entspannt. Der Tee schmeckt nach Orange und Waldbeere.
Ich habe diese Herausforderung bewältigt. Ich bin daran gewachsen. Der Attentäter ist gescheitert. Er muss damit leben.

Die Wahrheit...

In einer Zeit in der jeder Mann, der Kinder schon einmal von Nahem gesehen hat, meint, er müsse ein Buch darüber schreiben, wie toll das Leben mit Kindern ist und wie sehr er in seiner Vaterrolle aufgeht, in einer solchen Zeit ist es Zeit für die Wahrheit.

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